Der Ort

Der Autotunnel am Alexanderplatz: Erbaut 1966 bis ’69 im Rahmen der „Verkehrslösung Alexanderplatz“. Diese Baumaßnahmen waren Teil einer umfassenden städtebaulichen Neuordnung des „Stadtzentrums der Hauptstadt der DDR“.

Die südliche Einfahrt in den Tunnel

Das Ensemble des Alexanderplatzes, in Verbindung mit dem Fernsehturm und dem Marx-Engels- Platz im Süden sowie der einmündenden Karl-Marx-Allee im Osten halte ich für einen der markanteste Orte Berlins. Das Aufeinandertreffen der verschiedenen (Städtebau-) Epochen, das Berlin des neunzehnten Jahrhunderts im Westen und Norden (Spandauer Vorstadt, Prenzlauer Berg), der stalinistischen „Zuckerbäcker“-Stil im Osten, schließlich der Alexanderplatz als Manifestation der kühlen und rationalen Moderne der 50er und 60er Jahre. Im Rahmen meiner Diplomarbeit am Fachbereich Architektur der TU Berlin habe ich mich entschieden, ein Projekt in diesem für mich faszinierendem städtebaulichen Umfeld zu planen.

Die südliche Einfahrt, Blick aus dem Tunnel

Dabei geht es mir nicht darum, den Ort städtebaulich in seiner jetzigen oder zukünftigen Form umzugestalten. Hierzu gab es einen großen Wettbewerb, und ich halte es nicht für eine geeignete Diplomaufgabe, einen der wichtigsten Orte Berlins neu zu definieren.
Die vorliegenden Planungen werden den Bereich in radikaler Weise verändern und wenig von der heutigen Gestalt übriglasssen.

Mein Vorschlag ist ein vergleichsweise kleiner Eingriff. Er versucht, ein Stück des heutigen Bestandes, mit einer neuen Nutzung versehen, hinüberzuretten in eine neue Epoche. Dabei geht es mir nicht um das konservieren an sich. Ich behaupte auch nicht, das ein Autotunnel von unschätzbarem Wert sei, der um jeden Preis erhalten werden muß. Es geht mir aber darum, zu zeigen, daß Neues durchaus auch aus altem entstehen kann. Dass alten Orten, Formen, Volumen neue Inhalte, und damit neue Bedeutung gegeben werden kann.

Die nördliche Einfahrt, links das Haus des Reisens

Im Folgenden soll versucht werden, die für die Festlegung des Programms wichtigen Grundsätze und Parameter genauer zu erläutern.

Das Projekt als eine von mehreren Grenzen

Fassung des Platzes nach Osten. Räumliche Begrenzung ohne Architektur. Zum Vergleich hierzu der Effekt der Wiedereinführung der Tram-Trasse auf dem Alexanderplatz: Hier setzt die Haltestelle erstens eine neue, zusätzliche Funktion in eine vorher kaum frequentierte Ecke des Platzraumes. Damit wird dieser Teil des Platzes funktional wie auch im Bewußtsein der Passanten besetzt und damit erst wahrgenommen und existent. Zweitens bildet die Trasse der Tram eine eindeutige Grenze, bleibt dabei aber leicht überwindbar. Es entsteht ein „diesseits“ und „jenseits“ der Tram-Trasse.

Die nördliche Einfahrt, links das Haus des Reisens (Blick von Aussen)

Die Platzdefinition durch Grenzen dieser Art ist nicht absolut zu verstehen wie bei traditionellen Stadtplätzen, bei denen die Grenze des Platzraumes eindeutig in der Fassadenebene der Platzrandbebauung liegt.

An der Nordostecke des Alexanderplatzes ist die Grenze vielschichtig, gestaffelt. Es gibt die Trasse der Tram, die Grünanlagen, die vielspurige Straße und – in größerer Entfernung – die Bebauung an Karl-Marx- Allee und Grunerstraße. Die unterirdische Autotrasse (Autotunnel) ist ebenfalls eine Grenze dieser Art. Durch eine Neudefinition dieses heute fast unsichtbaren Raumes könnte der Platzraum einerseits weiter begrenzt und andererseits funktional ergänzt und damit attraktiver werden.

Der städtebauliche Vorschlag Hans Kollhoffs (1993) sieht eine traditionelle Fassung des Alexanderplatzes vor, bei der die Sockelgebäude der Hochhäuser die Platzwände bilden.

Es ist jedoch zu hinterfragen, ob diese simple Idee dem Charakter des Platzes gerecht wird und ob nicht durch die (im Vergleich zum heutigen Zustand extreme) Begrenzung Raumes eine künstliche, nicht Berlin-typische und vor allem nicht ortsgerechte Enge entsteht. Die Raumsituation zwischen den Blöcken des „Potsdamer Platz“ gibt hierauf einen Vorgeschmack.

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