Die historische Entwicklung des Alexanderplatzes

Der Alexanderplatz gehört zu den ältesten und bekanntesten Plätzen Berlins, dessen Ausdehnung, Form und Gestaltung sich im historischen Bedeutungswandel mehrfach veränderte.

Der Alexanderplatz im Jahr 1804

Einleitung

Berliner und Besucher verbinden sehr unterschiedliche Charakteristika mit dem „Alex“. Der Platz war jedoch nie ein Architekturplatz wie der Gendarmenmarkt oder die nach Pariser Vorbild entstandenen Plätze Rondell, Octogon und Quarrée (Hallesches Tor, Leipziger Platz, Pariser Platz).

Ebenso wenig zählte er zu den Orten, deren kulturelle oder politischen Ausstrahlung Berlin einst Weltgeltung verschafften.

Sein Flair ergab sich schon immer aus der Vielfalt der Funktionen, aus der Verknüpfung von Arbeitsplatz, Wohnort und öffentlichem Verkehr, von Ladengeschäften, Markthallen, Warenhäusern, Handwerk und Dienstleistungen, öffentlicher Verwaltung und Nachtleben, von Polizei und Gefängnis.

Der Aufstieg Berlins zur deutschen Hauptstadt am Ende des 19. Jahrhunderts erzeugte bekanntlich eine eskalierende Bodenspekulation und Bevölkerungsexplosion sowie eine daraus resultierend Bebauungsverdichtung, so dass der Alexanderplatz als östliches Eingangstor zur Altstadt bald total überfordert war. Die eigentliche Entstehungsgeschichte des heutigen Alexanderplatzes in seiner Funktion als großstädtischer Platz begann also bereits im 19. Jahrhundert.

Mit dem Stralauer und dem Spandauer Tor war das Oderberger Tor einer der drei mittelalterlichen Ein- und Ausgänge der Stadt Berlin, entstanden im Rahmen der Stadterweiterung in der Zeit um 1230-1240. Durch das Oderberger Tor gelangte man zum Berliner Rathaus, das am Kreuzungspunkt mit der Spandauer Straße errichtet worden war.

Vor dem Oderberger Tor lag bereits im späten 13. Jahrhundert ein dem Heiligen Georg geweihtes Spital mit eigener Kapelle und Kirchhof. Es nahm heimatlose Arme und Kranke auf, was auch die Lage außerhalb der Stadtgrenzen erklärt.

Der mittelalterlichen Stadtbefestigung, zu der auch das Oderberger Tor gehörte, wurde ab 1656 eine Befestigungsanlage mit Wassergraben nach holländischem Vorbild vorgelagert. Der neue Eingang zur Stadt hieß Georgentor.

Durch eine Verordnung von 1672 waren in der Gegend zwischen Georgen- und Spandauer Tor die Berliner Scheunen wegen Brandgefahr ausgelagert worden. Das Scheunenviertel entstand. 1681 wurde die Schweinehaltung in der Stadt verboten. Vor dem Georgentor entwickelte sich daher ein Viehmarkt. 1684 entstand um den in Höhe der Georgenkapelle gelegenen Schützenplatz eine Bebauung. 1689 erhielt die Georgenkirche einen Geistlichen und wurde dadurch zur Pfarrkirche.

In den letzten Jahren des 17. Jahrhunderts war die Struktur des Gebietes bereits ausgeprägt und die Hauptausfallstraßen zeichneten sich ab. Durch die Georgenvorstadt liefen drei überörtliche Straßen: die Prenzlauer, die Bernauer und die Landsberger Straße.

Seit der Krönung der brandenburgischen Könige zu Königen in Preussen (1701) hieß die Georgenvorstadt Königsvorstadt. Während dem 18. Jahrhundert prägten die Woll- und Seidenmanufakturen das Gebiet vor dem Georgentor. Auch das königliche Arbeitshaus, ein Armenhaus, wurde hier errichtet. Außerdem gab es Übungsplätze (und sogar eine Exerzierhalle) für die Militärs.

Das Georgentor wurde 1746 abgebrochen. Hier wurde ab 1777 eine Kolonnadenanlage von Carl Philipp Christian v. Gonthard gebaut und die Holzbrücke über den Festungsgraben wurde durch einen steinernen Neubau ersetzt. In den Kolonnaden waren Läden untergebracht.

Um 1800 hatte der Platz eine beachtliche Gestalt angenommen, so dass man ihn mit königlicher Verfügung vom 2. November 1805 aus Anlass eines Staatsbesuches des russischen Zaren Alexander I., in Alexanderplatz umbenennen konnte. Und seit der Rückkehr des preußischen Königspaares nach seiner Flucht vor Napoléon hieß das Georgentor Königstor und die Bernauer Straße Neue Königsstraße.

1824 eröffnete das (volkstümliche) „Königsstädter Theater“. Kurz nach der Schließung des Theaters 1851 eröffneten die Brüder Aschinger im Erdgeschoss ihre Gaststätte, die bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, ab 1930 im neuerrichteten Alexanderhaus, an diesem Standort blieb.

Nach der Reichsgründung entwickelte sich der Alexanderplatz zu einem modernen Geschäftsstandort. Neben Infrastruktureinrichtungen wie Post, Behörden, Warenhäuser und Gastronomie siedelten sich hier Geschäftshäuser an und verringerten den Anteil an Wohngebäuden.

1882 wurde die Stadtbahn eingeweiht. Durch die Einrichtung von Pferdebahnlinien nach Weissensee, Friedrichsfelde und Lichtenberg wurde der Alexanderplatz spätestens ab 1885 zu einem der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte Berlins.

Mit der Aufhebung der traditionell unter freiem Himmel abgehaltenen Wochenmärkte und deren Verlagerung in die neuerrichteten Zentralmarkthallen konnten der Alexanderplatz – unter Aussparung der für den Verkehr genutzten Flächen – gärtnerisch gestaltet werden. Sozusagen ein frühes Beispiel von Entmischung und Funktionstrennung.

Am Rande des Verkehrsplatzes ließ 1886 sich das Polizeipräsidium nieder. An der Alexanderstraße erhielt der Bau mit dem den Platz beherrschenden Eckturm seine städtebaulich-architektonische Dominante. Der Alexanderplatz wurde damit quasi zum Synonym für Polizeigewalt und polizeiliche Überwachung.

Die Warenhäuser erreichten den Alexanderplatz dagegen erst nach der Jahrhundertwende. In drei Bauabschnitten zwischen 1904 und 1911 entstand direkt am Alexanderplatz das Warenhaus Tietz. Ebenfalls 1911 eröffneten das Warenhaus Wertheim in der Königsstraße, also auf der anderen Seite der Stadtbahntrasse, und das Kaufhaus Hahn an der Landsberger Straße Ecke Georgenkirchplatz. Während die vornehmen Kaufhäuser Berlins im „Neuen Westen“ lagen, bediente der Alexanderplatz die mittleren und unteren Einkommensschichten.

Kaufhaus Tietz am Alexanderplatz, ca. 1911

In den Jahren vor dem ersten Weltkrieg war der Alexanderplatz schließlich der belebteste Platz der Stadt geworden. Mit Inbetriebnahme der U-Bahnlinie A (heute U2) kam ein weiteres Massenverkehrsmittel hinzu. Von Anfang an war geplant, dass sich hier zwei U-Bahnlinien kreuzen sollten. Es war jedoch eine zweite Tiefebene nötig, die zusammen mit einer dritten Ebene Ende der zwanziger Jahre realisiert werden sollte.

Als Martin Wagner 1926 sein Amt als Berliner Stadtbaudirektor antrat, lastete auf der Stadt ein schweres Erbe – die Verkehrsstrukturen aus der Zeit vor der Einheitsgemeinde Groß-Berlin. Zwar waren das „alte“ Berlin und seine Nachbargemeinden längst zu einer territorialen, wirtschaftlichen und kulturellen Agglomeration zusammengewachsen, der Zusammenschluss zu „Gross-Berlin“ erfolgte aber erst 1920.

Martin Wagners Pläne von 1928 für den Umbau des Alexanderplatzes (Illustration: Christian Thiele)

In der Innenstadt betrafen die verkehrsstrukturellen Defizite vor allem die Ost-West-Verbindungen, was um so schwerer wog, als die vornehmen Quartiere jenseits des Potsdamer Platzes, der Neue Westen, seit der Jahrhundertwende immer mehr zum eigentlichen Geschäftszentrum der Stadt avancierte.

Die historische Altstadt und die angrenzenden nordöstlichen Bezirke drohten wirtschaftlich ins Hintertreffen zu geraten. Um diesem Prozess entgegenzuwirken, sollte ein „Cityband“ das alte mit dem neuen Zentrum der Stadt verknüpfen. Und so rückte, als östlicher „Cityschwerpunkt“, der Alexanderplatz ins Blickfeld der Umgestaltungsinteressen.

Der Alexanderplatz zeigte zu dieser Zeit ein unregelmäßiges Bild, erzeugt durch die auf ihn zu führenden Einfallstraßen, durch Gebäude mit unterschiedlicher Nutzung und Gestalt.

Sein soziales Milieu ergab sich aus seiner Lage im Osten der ehemaligen Bürgerstadt und war geprägt durch die angrenzenden Arbeiterquartiere des Berliner Nordens und vor allem des berüchtigten „Scheunenviertels“. Literarisch berühmt wurde der Alexanderplatz vor allem als Bühne chaotischen Alltagstreibens, als ein Platz der Straßenbahnen, der Automobile und Droschken, der Lastkarren, Händler, Prostituierten, Kleinkriminellen und Passanten.

Den Traum vom Geschäftszentrum im Osten, das dem westlichen am Kurfürstendamm und Zoo ebenbürtig gegenüberstehen sollte, hoffte Martin Wagner mit seiner Idee vom „Weltstadtplatz“ erfüllen zu können. Im Sinne seiner Zeit begeisterte er sich für die Vision eines ständig rotierenden Verkehrskreisels. In diesem Bild gipfelte das städtebauliche Planungsideal für den Alexanderplatz Ende der zwanziger Jahre.

Schon seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der Alexanderplatz aufgrund seiner verkehrlichen Anbindung als veränderungsbedürftig angesehen. Der U-Bahnbau der Nord-Süd U-Bahn Hermannstraße-Gesundbrunnen 1927 lieferte dann die Möglichkeit einer grundlegenden Neuordnung, die in den Wettbewerb von 1929 mündete.

Der Wettbewerb zur Umgestaltung des Platzes wurde im Februar 1929 ausgeschrieben. Grundlage der Ausschreibung war ein von Stadtbaurat Martin Wagner und Verkehrsstadtrat Ernst Reuter bereits sehr konkret ausformulierter Lösungsansatz, der einen einheitlich, d.h. „aus einem Guss“ gestalteten Verkehrsplatz vorsah.

Das Konzept konzentrierte sich auf die reibungslose Bündelung der fünf auf den Platz einmündenden Straßen. Zwei davon, die Landsberger und die Neue Königsstraße, sollten in der Höhe von drei Geschossen überbaut werden, so dass eine Hufeisenform entstand, die Verkehrsorganisation des Kreisverkehrs auch noch baulich verstärkte.

Zum Wettbewerb aufgefordert waren sechs Architekturbüros. Von den eingereichten Entwürfen folgte einzig Mies van der Rohe nicht der Vorgabe einer den Verkehr begleitenden Kreisform. Der Entwurf der Brüder Luckhardt mit Alfons Anker errang den ersten Preis. In ihm kam „die Verdoppelung der Verkehrsform in der Raumform“ durch eine schwungvoll horizontale Akzentuierung der Bauten besonders auffällig zur Geltung.

Der Magistrat war bereit, alle Grundstücke am Alexanderplatz durch die städtische „Verkehrs AG“ aufzukaufen zu lassen, um die Pläne von Wagner und Reuter durchzusetzen. Doch bis Mai 1929 blieb das Engagement privater Bauherren aus.

Der Alexanderplatz am 4. September 1930, während der Bauarbeiten zur U-Bahn

Dann bot ein mit amerikanischem Kapital finanziertes Konsortium an, Büro- und Geschäftshäuser nach eigener Vorstellung zu bauen. Die neuen Investoren verwarfen allerdings die Ergebnisse des Wettbewerbs und beauftragten Peter Behrens mit einem neuen Gesamtentwurf.

Gebaut wurden schließlich das Berolina- und das Alexanderhaus, beide waren 1932 fertiggestellt. Alle weiteren Bauvorhaben am Platz blieben in aufkommenden Spekulationen und letzlich in der Weltwirtschaftskrise stecken.

Wiederaufbau

Luft- und Artilleriekrieg hatten 1945 in der Innenstadt fast nur Brandruinen hinterlassen. Ein Wiederaufbau der Altstadt wurde als unrealistisch eingestuft (historisch bedeutende Einzelgebäude ausgenommen), so dass sie nirgends ernsthaft zur Debatte stand.

Alle mit dem Wiederaufbau Berlins befassten Fachleute standen vor einem unlösbaren Dilemma: War Berlin als gesamtdeutsche Hauptstadt aufzubauen oder nicht? Und wenn ja, mit welchen Inhalten, mit welchen Kapazitäten an welchen Standorten, basierend auf welchen Rechtsgrundlagen?

Nach der Teilung des Berliner Magistrats 1948 waren die unter den (Nachkriegs-) Stadträten Hans Scharoun und Karl Bonatz empirisch erarbeiteten Aufbauplanungsunterlagen zusammen mit einem Teil der Stadtplanungskollegen und den meisten bei der Magistratsbehörde befindlichen Karten und Bauakten in Ost-Berlin verblieben. Sie bildeten einen wichtigen Grundstock der nach Gründung der DDR noch bis 1959 fortgesetzten Gesamtstadtplanungen.

Städtebauliche Theorien

Mit der DDR-Gründung traten bald konkrete Bauaufgaben in den Vordergrund der Stadtplanungsarbeit. 1950 wurden mit einem Ministerratsbeschluß in den „16 Grundsätze des Städtebaus“ das Stadtzentrum folgendermaßen definiert:

„Das Zentrum bildet den bestimmenden Kern der Stadt. Das Zentrum der Stadt ist der politische Mittelpunkt für das Leben seiner Bevölkerung.

Im Zentrum der Stadt liegen die wichtigsten politischen, administrativen und kulturellen Stätten. Auf den Plätzen im Stadtzentrum finden die politischen Demonstrationen, die Aufmärsche und die Volksfeiern an Festtagen statt. Das Zentrum wird mit den wichtigsten monumentalen Gebäuden bebaut, beherrscht die architektonische Komposition des Stadtplanes und bestimmt die architektonische Silhouette der Stadt“.

Für das Berliner Zentrum wurde präzisiert:

„Keine Rekonstruktion der Altberliner City als Administrationsstandort. Statt dessen gesellschaftliches Zentrum, ergänzt durch Wohnbauten.

Senkung der Bebauungsdichte von ehemals rund 500 000 Arbeitsplätzen (Konzentration von 23% aller Beschäftigten Berlins auf 3% der Stadtfläche) auf maximale Neubebauung für 200 000 bis 250 000 Einwohner und eine Wohndichte von 500 Einwohner pro Hektar (vor dem Krieg: 850 – 1000/ha) um sowohl stadtklimatisch wie stadthygienisch verträgliche Bedingungen zu gewährleisten aber auch den Nutzungsgrad der bebauten Zentrumsflächen mit den daraus entstehenden Verkehrsanforderungen in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen.

Erschließung des Zentrumsgebietes über einen Tangenten-Ring von Schnellverkehrsstraßen, in den die sternförmig auf das Zentrum gerichteten Radialstraßen münden. Die Leistungsfähigkeit des innerstädtischen Verkehrsnetzes soll einem perspektivisch geplanten Motorisierungsgrad von 1 Kfz auf 5 Einwohner entsprechen.

Verstärkter Ausbau des Schnellbahnnetzes (U-Bahn) zur schrittweisen Herausnahme der schienengebundenen Straßenbahn aus den Verkehrsstraßen“.

Hierzu ist anzumerken, das der geplante Motorisierungsgrad natürlich reinstes Wunschdenken war. Auch die Senkung der Bebauungsdichte entsprang weniger einer stadthygienischen Motivation als vielmehr der Tatsache, dass es in der DDR einfach keinen größeren Bedarf an Büroflächen gab. (s. Goebel 1998, S. 82). Aufgrund des geringen Bedarfs an Büroflächen war es auch möglich, in großem Maße Flächen für den Wohnungsbau nachzuweisen. Es wurde jedoch nicht mehr Wohnraum im Stadtzentrum geschaffen als vor dem Krieg vorhanden war.

Städtebau und Architektur wurden als wichtige Ideologie-Instrumente erkannt. Sie sollten nicht nur den gebauten Lebensrahmen für die sich entwickelnde sozialistische Gesellschaft schaffen, sondern zugleich auch deren Ausdruck sein. Sicher ein hoher Anspruch und u. U. auch ein Anachronismus.

Planungen

Die in der Nachkriegszeit erneut aufgegriffene Absicht, der vorhandenen Ost-West-Achse des historischen Zentrums eine neue „West-Ost-Achse“ hinzuzufügen (ursprünglich als Verkehrsachse gedacht), hatte sich zur städtebaulichen Grundidee für den Wiederaufbau des Stadtzentrums entwickelt.

Mit der „Zentralen Achse“ sollte eine neue Repräsentations – Magistrale vom Brandenburger Tor bis zum Alexanderplatz entstehen, in deren Mittelpunkt als monumentale Höhendominante am Marx-Engels-Platz, anstelle des Schlosses, das zentrale Regierungsgebäude konzipiert war.

Ungeachtet der skizzierten, aber noch nicht verbindlichen Zentrumsplanung (nur die Rekonstruktion des Forums Unter den Linden hatte sofort begonnen) erfolgte ab 1951 der von sowjetischer Seite mit großem Interesse verfolgte Bau der Stalinallee – gewissermaßen als „Ruhmesmeile der Roten Armee“, hatte doch hier der verlustreiche Einmarsch nach Berlin stattgefunden.

Obwohl der Bau, am Strausberger Platz beginnend, in Richtung Frankfurter Tor, also stadtauswärts verlief, war stets klar, dass die neue Magistrale am Alexanderplatz enden müsse – nicht wie zuvor an der Landsberger Allee.

Die Planungen am Alex: Originalplan aus den Akten des Berliner Magistrats, 1958

Der Alexanderplatz befand sich in der Konsequenz dieser beiden zeitversetzten Planungen am End-, Kreuz- und Schnittpunkt zweier Achsbeziehungen – der den gesellschaftlichen Mittelpunkt des Zentrums markierenden West-Ost-gerichteten „Zentralen Achse“ und der von Osten ins Zentrum führenden Stalinallee.

Mit seinen Forderungen nach beschleunigter Fertigstellung der wichtigsten Zentrumsbauten in Berlin bis 1965 brachte der V. Parteitag der SED (Juli 1958) einen intensiven Klärungsprozess in Gang. Das betraf die Fortsetzung der Stalinallee bis zum Alexanderplatz, den Platz selbst, aber auch die Straße Unter den Linden und vor allem den Bereich Marx-Engels-Forum als das Regierungsforum der DDR-Hauptstadt.

Blick vom Fernsehturm Richtung Nordosten, Wolfgang Thieme (1969)

Es wurde 1958 ein zweistufiger, internationaler Städtebau-Wettbewerb ausgeschrieben, aus dem der erste verbindliche Bebauungsplan für das Zentrum hervorging. Seine Bestätigung durch die Ostberliner Stadtverordnetenversammlung erfolgte im April 1961, einen Monat später durch den Ministerrat der DDR.

Während dieser Entwicklungszeit waren nun die einst nur „bis zum Alexanderplatz gedachte Stalinallee“ und die aus traditionellen Strukturvorschlägen zur besseren Verbindung der Altstadtraster übernommene, dann aber primär auf den Bereich Marx-Engels-Platz fixierte Idee der „Zentralen Achse“ inhaltlich und städtebaulich-räumlich zusammengeführt worden. In einer Folge von teilweise großzügig ausgeweiteten, repräsentativen Straßen-, Platz- und Grünräumen hatte sich ein vom Brandenburger Tor bis zum Strausberger Platz reichendes „Zentrumsband“ herauskristallisiert, an dem vorrangig Einrichtungen des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens, aber auch Wohnungen angesiedelt werden sollten.

Parkplätze südöstlich des Alexanderplatzes, im Hintergrund das Haus des Reisens (Mitte) und das Haus des Lehrers (rechts). Foto: Peter Heinz Junge, 1974

Dem Alexanderplatz war innerhalb des Zentrumsbandes eine ganz neue Aufgabe zugewachsen. Er hatte (bildlich gesprochen) die „Zusammengehörigkeit“ der von Westen und Südosten in seinem Platzraum aufeinandertreffenden Achsbeziehungen verständlich zu machen, die beiden „Magistralen“ gelenkartig miteinander zu verbinden. In der Konsequenz hatte diese Funktion auch Auswirkungen auf Platzausdehnung und Maßstab der Bebauung.

Die endgültige städtebauliche Gestalt bekam der Platz im Verlauf des Jahres 1964. Über die Grundsätze der innerstädtischen Verkehrslösungen hatte man sich weitgehend auf allen Ebenen verständigt. Kurzfristig wurde ein neuer Wettbewerb mit begrenztem Teilnehmerkreis durchgeführt, der aufgrund der vorausgegebenen Verkehrstrassierungen die die Platzbebauung zu klären hatte. In der Zeit von 1967 bis 1973 wurde das bis dahin unvorstellbar große Investitionsvorhaben – mit Ausnahme der erst in den Achtziger Jahren folgenden Schließung der Nordseite des Alexanderplatzes – fertiggestellt.

Der heutige Alexanderplatz ist im wesentlichen durch zwei Entwicklungsphasen geprägt worden. Seine „Entstehungszeit“ reicht etwa von 1967 bis 1973. Anfang der achtziger Jahre wurde die bis dahin unvollendete Nordseite mit Wohngebäuden geschlossen. Zur gleichen Zeit begann mit Blick auf die 750-Jahr-Feier Berlins eine komplette Reaktivierung aller den Platz umgebenden Erdgeschosszonen.

Das Hauptinteresse der SED und ihres Politbüros galt nach der Auswertung des internationalen Zentrumswettbewerbes von 1958 / 60 vorrangig dem Bereich Marx-Engels-Platz und dem Wiederaufbau der Straße Unter den Linden.

1959 wird vom Architekten Peter Schweizer, den Verkehrsingenieuren Martinetz und Schulz ein Verkehrsplan entwickelt, der schließlich in der „Strukturanalyse für das Zentrum von Groß-Berlin“ veröffentlicht wird und die Basis für alle folgenden Planungsvarianten wurde. Das Hauptanliegen des Planes ist die Schaffung von leistungsfähigen Verkehrsstraßen nördlich und südlich des Kerngebietes, um dies für Fußgänger wieder interessant zu machen. Dies spiegelt die damalige Denkweise der Zonierung – hier Verkehr, dort Fußgänger – wider. Niemand denkt an die entstehenden Zwischenräume.

In seinem Plan greift Schweizer auf die seit fast hundert Jahren im Gespräch befindlichen Durchbrüche in Ost-West-Richtung zurück und schlägt eine von der Leipziger Straße über den Molkenmarkt und einen Durchbruch an der Grunerstraße verlaufende, den Alexanderplatz nunmehr an seinem Südrand tangierende Trasse inklusive Straßentunnel vor (s. „Verkehrsplanung“). Hier taucht auch erstmals die mit Rücksicht auf die politische Bedeutung der Stalinallee geforderte geradlinige Einmündung (und Weiterführung!) in den Alexanderplatzbereich auf.

Auf Grundlage des Wettbewerbs von 1958 / 60 fasste der Magistrat 1961 offiziell den Entschluss zum Aufbau des Stadtzentrums, in dem auch seine künftige Gestalt festgelegt wurde.

Dessen Doppelcharakter als Verkehrs- und Einkaufsplatz wurde dabei deutlich zugunsten des Verkehrsplatzes interpretiert; das Einkaufen sollte sich vor allem westlich, also jenseits der Stadtbahntrasse abspielen.

Die Durchlässigkeit des S-Bahnhofes wurde dadurch zu einer wichtigen Prämisse, die auch im weiteren Verlauf der Planung beibehalten wurde. Da aber sich auf der Nordostseite der S-Bahn bereits die U-Bahnhöfe inklusive Zugänge befinden, war es nur logisch, die Planungen der Handels- und Dienstleistungseinrichtungen wieder in diesen Bereich zu verlegen.

Ein parallel zum S-Bahnhof angeordnetes scheibenförmiges Bürohochhaus sollte dem Großraum um das gigantische Zentralhaus korrespondierend mit einem ähnlichen, in seinen Abmessungen aber dem historischen Forum stärker angepassten Gebäude für das Außenministerium, nach Osten und Westen eine optische Begrenzung geben. Die für den Alexanderplatz zunächst vorgesehene (und offiziell „bestätigten“) Gebäudefunktionen einer überwiegenden Büronutzung unterstrichen die Vorstellung, dass der Straßenverkehr sich nicht mehr mit einem belebten Stadtplatz vereinbaren ließe. Der Alexanderplatz wäre nach diesem Entwurf hinter der Hochhausscheibe und damit „außen vor“ geblieben.

Die Figur des zukünftigen, enorm vergrößerten Alexanderplatzes sollten drei gleichartige Punkthochhäuser abstecken. Mit der sofortigen Projektierung des ersten Punkthauses an der Südseite des Platzes für das „Haus des Lehrers“ wurde Hermann Henselmann beauftragt. Dieses Projekt wurde sozusagen als erster Teil des neuen Stadtzentrums von 1961 bis 1964 realisiert. Die Idee der 3 Punkthochhäuser findet sich auch in der realisierten Planung von 1964 wieder: Haus des Lehrers, Haus des Reisens und das Verlagshochhaus.

Blick aus der Rathausstraße zum Alexanderplatz (Ulrich Kohls, 1976)

In den Jahren 1961 bis 1963 schob sich auch das Bauprojekt Karl-Marx-Allee langsam näher an den Alexanderplatz heran. Mit der Errichtung des Wohngebietes zwischen Strausberger Platz und Alex, entlang der verlängerten Karl-Marx-Allee, hatte die Ost-Berliner Architekturentwicklung unter den Zwängen der Großplattenbauweise wieder zur „Moderne“ zurückgefunden.

Für den im Frühjahr 1964 ausgelobten, beschränkten Wettbewerb war die Verkehrskonzeption aktualisiert und verbindliche Planungsgrundlage. Das nun vorgegebene Nutzungsprogramm hatte sich gegenüber 1960 erheblich verändert, waren damals noch hauptsächlich Verwaltungsfunktionen vorgesehen, so wurden es nun um attraktive Nutzungen wie ein zweites Kaufhaus und ein 2000-Betten-Hotel mit Gaststätten-„Komplex“.

Karl-Marx-Allee, 2. Bauabschnitt

Zur Wettbewerbsteilnahme waren aufgefordert: das Stadtbauamt Berlin / der „Generalprojektant VEB Berlin-Projekt“ / die Deutsche Bauakademie / die Technische Universität Dresden / die Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar

Das Problem der Platzgestaltung lag in dem durch die beiden Kreuzungsbereiche enorm aufgeweiteten Platzraum mit seinen visuell kaum erfassbaren Maßstäben. Daher versuchten alle Architekten, den Platz zweischalig anzulegen. Damit sollte eine Trennung zwischen Verkehrsräumen und Fußgängerbereichen geschaffen werden.

Diese Absicht, gewissermaßen einen inneren und äußeren Alexanderplatz herzustellen, eine Spannung zwischen der Intimität des Verweilraumes und der Weitläufigkeit des schnellen Fahrens herzustellen, ließ sich mit den Wünschen der Auftraggeber nicht in Einklang bringen. Zum einen bestand die Auflage, die Rathausstraße an den Platz anzubinden (was noch während der Bauzeit revidiert wurde), dies verhinderte eine bauliche Schließung der „Piazzetta“, denn die Blickbeziehung zur Karl-Marx-Allee durfte nicht verstellt werden. Zum anderen entsprach die Weitläufigkeit des Raumes der politischen Wunschvorstellung nach Monumentalität.

Vergleicht man die einzelnen Entwürfe miteinander, so fällt ihre relative Ähnlichkeit auf. Allen Entwürfen sind folgende Punkte gemeinsam:

Der Versuch, im Umfeld von S- und U-Bahnhof einen Fußgängerbereich zu schaffen – das „Erlebnis Alexanderplatz“ auf den traditionellen, menschlichen Maßstab zurückzuführen bzw. beizubehalten und alle attraktiven Angebote des Programms diesem Bereich zuzuordnen / der Entwurf eines dominierenden Hochhauses im Blickpunkt der Straßenachse aus der Sicht der Karl-Marx-Allee / die Absicht, den Alexanderplatz deutlich in „Platz“ und „Straßenbebauung“ zu gliedern. / der Versuch, auftragsgemäß den Richtungswechsel der Achse zur Karl-Liebknecht-Straße mit vergleichbaren Gebäuden hervorzuheben.

Nach Abschluss des Wettbewerbs nahmen dessen Ergebnisse einen ziemlich undurchsichtigen Weg durch die höchsten Entscheidungsgremien der SED. Paul Verner, Bezirkschef der SED in Berlin, wählte nach eigenem Ermessen einzelne Aspekte verschiedener Entwürfe aus und veranlasste die Verwirklichung dieses Ideenkonglomerats. Er stellte schließlich die Planungen dem Politbüro zur Verabschiedung vor. Das geschah am 17.07.1964 mit einer von Ministerrat, Magistrat und Bezirksleitung der SED gemeinsam eingereichten Vorlage über den Aufbau des Alexanderplatzes bis 1970.

Fernsehturm: Kosten und Standortunsicherheiten hatten den Bau im Volkspark Friedrichshain immer wieder verzögert. Ende 1963 drängte die Post erneut auf die Realisierung, da sonst der Berliner Großraum nicht mit UKW- und Farbfernsehprogrammen, außer denen Westberlins, zu versorgen wäre. Hinzu kam, dass das 1958 von Gerhard Kosel konzipierte zentrale Regierungsgebäude – gleichzeitig als Stadtkrone gedacht – architektonisch überholt, nicht bezahlbar und auch von der DDR-Regierungsbürokratie gar nicht zu füllen gewesen wäre. Dennoch wollte er weder auf ein Regierungsgebäude noch auf eine Höhendominante verzichten, sollte seine Hauptstadt doch möglichst schnell „ein Gesicht, eine Sensation“ bekommen, wozu sich der ohnehin nötige Fernsehturm geradezu anbot. So kehrte die alte Idee Henselmanns wieder in die Mitte der Stadt zurück.

Die von Verner getroffenen Entscheidungen reduzierten sich auf wenige Formulierungen, die allerdings keinem der beteiligten Architektenkollektive offiziell mitgeteilt wurden: „Die architektonische Gestaltung des Aufbaus des Alexanderplatzes hat auf der Grundlage des Projektes des Stadtbauamtes mit folgenden Änderungen zu geschehen: Die Gestaltung der Nordseite des Alexanderplatzes erfolgt nach dem Vorschlag der Architekten Eckardt, Gohlke und Meißner. Am Alexanderplatz wird ein zentrales Warenhaus errichtet. Das Hotel ist als rechteckiger Hochkörper mit Flachbau zu errichten.“

Der 1. Preis (Kollektiv Schweizer) hatte als einziger das Hotel direkt an die noch existente Einmündung der Rathausstraße gesetzt. Das schlanke Punkthaus sollte mit den Türmen des Roten Rathauses und der Marienkirche korrespondieren, gleichzeitig den „Drehpunkt“ beider Achsen markieren und mit seinem Flachbaukörper den Fußgängerbereich von den breiten Schneisen des Fahrverkehrs abgrenzen.

Der wirkliche Hintergrund von Verners geforderter Verschiebung des Hotelhochhauses lag in der Absicht, den Platzraum als monumentales Ganzes deutlich erkennbar zu machen, ihm seine “ursprünglich vorgesehene Größe zurück zu geben“, und zu verhindern, dass ein innerer und ein äußerer Alexanderplatz entsteht.

Wo von den Architekten auf Spannung zwischen der Intimität und Weitläufigkeit gezielt wurde, blieb durch die Eingriffe „von oben“ nur ein unentschiedener Raum.

Kennzeichnend für die Informationspolitik der DDR ist die Tatsache, dass es für die Wettbewerbsteilnehmer außer den oben zitierten Festlegungen und dem erweiterten Auftrag für die neue Gesamtkonzeption weder Erläuterungen noch Antworten auf ihre Arbeiten gab. Selbst das Kollektiv Eckardt Gohlke Meißner erfuhr offiziell nie etwas über seine „städtebauliche Mitautorenschaft“ an der Alexanderplatz-Nordseite (Haus der Elektroindustrie).

Im Stadtbauamt wurden Schweizer und seine Kollegen davon überrascht, dass ihre Arbeit offiziell nun plötzlich als Gemeinschaftsprojekt des Kollektivs und dem neuen Chefarchitekten Näther in der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Aber selbst dem sonst erfolgreichen Hermann Henselmann ging es mit seiner unbestrittenen Urheberschaft am westlich des Alexanderplatzes gelandeten Fernsehturm nicht besser. Das Politbüro hatte nämlich festgelegt, dass die vermisste Gesamtkonzeption mit Regierungsforum, Fernsehturm und Alexanderplatz schnellstens nachzureichen sei, um der staunenden Bevölkerung im Oktober 1964, zum 15. Jahrestag der DDR, ein Hauptstadtzentrum mit neuer „Stadtkrone“ präsentieren zu können.

Am 30. September 1964 wurden die Planungen und die bis dahin fertiggestellten Projekte in großer Aufmachung in der DDR-Presse präsentiert.

Der nächste Meilenstein war das 20. DDR-Jubiläum 1969. Um der Internationalen Öffentlichkeit bis dahin ein in den Grundzügen fertiges neues Zentrum zu präsentieren, wurde von ganz oben streng darauf geachtet, dass die Planungen nicht mehr geändert wurden, um Verzögerungen zu vermeiden. Dies bedeutete für alle Beteiligten enormen Zeit- und Termindruck, weil Planung, Projektierung und Bau nahezu parallel erfolgen mussten.

Während im Umfeld des Alexanderplatzes der Krieg für weitgehende Baufreiheit gesorgt hatte (Ausnahmen bildeten das Minol-Haus am Georgenkirchhof und die beiden Behrensbauten), kam jetzt unerwartet für den „sofort“ zu bauenden Fernsehturm der Abriss ziemlich kompakter Gebäudesubstanz westlich der Gonthardstraße bzw. der S-Bahn dazu. Dort gab es nicht nur die beiden nach 1945 rekonstruierten Berliner Großmarkthallen, denen der Alex ein Teil seiner Identität verdankte, auch Kaufhäuser, Post , ehemalige Bank und Bürohäuser existierten in recht massiver Bauweise aus der Zeit um 1900, für die schnellstens Alternativen notwendig geworden waren.

Eine Neugestaltung dieses Gebietes war zu diesem Zeitpunkt erst in ferner Zukunft geplant. Als dann der bevorstehende Abriss der Markthallen bekannt gegeben wurde, gab es überraschend starke Proteste aus der Bevölkerung. Man entschied daher, einen Ersatzbau in die Neubebauung der Karl-Liebknecht-Straße zu integrieren. Lange Zeit gab es ein heftiges Tauziehen um die Nutzung der großen Bürogebäude am Alexanderplatz. Seit 1961 waren bereits (ohne festgelegte Standorte) die Zentralverwaltung für Statistik mit ihrem Rechenzentrum, der Allgemeine Deutsche Nachrichtendienst (ADN), das DDR-Reisebüro sowie der Hauptsitz des Baukombinates Ingenieurhochbau als Nutzer festgelegt worden. Dazu kamen das „Stabsorgan“ der Elektroindustrie als führender Wirtschaftszweig, zahlreiche Außenhandelsunternehmen und fünf Ministerien mit nachgeordneten Institutionen.

Alle Standortgenehmigungen für die Nutzer wurden von der Zusage abhängig gemacht, in sämtlichen Erdgeschosszonen öffentliche Nutzungen zuzulassen. Insgesamt entstanden ca. 15 – 20.000 Arbeitsplätze in den o.g. Institutionen.

Zwischen 1965 und 1967 wurde durch die Tiefbauprojekte weitgehend Vorlauf für den Beginn der Hochbauten geschaffen. Im Januar 1966 überquerte die letzte Straßenbahn den Alexanderplatz. Danach begannen die Tiefbauarbeiten. Erforderlich waren unter anderem auch grundlegende Umgestaltungen des unterirdischen Versorgungsnetzes, hier vor allem das der Wasserver- und Entsorgung.

Insgesamt wurden 300 km Elektro- und Telefonkabel, 5km Gasleitungen, 12 km Wasserzuleitungen und 8,5 km Abwasserkanal verlegt bzw. neu gebaut.

Das größte Projekt in diesem Rahmen war der Neubau eines Mischwasser- bzw. Abwasserkanals. Da sich die alten Abwassersammelkanäle der Bezirke Pankow, Prenzlauer Berg, Weissensee und Mitte am alten Alexanderplatz trafen, man dort für die Hochbauten aber Baufreiheit im Untergrund benötigte, musste quasi ein Umleitungskanal gebaut werden, der die o.g. Abwasserleitungen sammelt, nordöstlich um die Baustellen herumführt und an der Alexanderstraße wieder an die bestehenden Anlagen anschließt (s. Illustration S.41). Diese führt die Abwässer zur Jannowitzbrücke und dort in die Spree. Der neue Mischwasserkanal liegt z. T. unmittelbar neben dem Straßentunnel in der Grunerstraße.

Fast zeitgleich mit dem Fernsehturm und der Bebauung entlang der Rathaus- und Karl-Liebknecht-Straße begannen sich die Konturen des neuen Alexanderplatzes abzuzeichnen. 1967 wurde am zukünftigen Standort des Hotels der symbolische Grundstein für das gesamte Areal gelegt.

Generalauftragnehmer für das gesamte Projekt war das „VE Bau- und Montagekombinat Ingenieurhochbau Berlin“. Dessen Hauptauftragnehmer waren wiederum das „VEK Tiefbau Berlin“, das „VE BMK Ingenieurhochbau Berlin“ für die Bauhauptgewerke sowie 7 weitere volkseigene Betriebe und Kombinate für die übrigen Gewerke und sonstigen Aufgaben.

„Die städtebaulichen Ensembles mit Hochhausgruppen, gesellschaftlichen Einrichtungen, Wohnungen und Läden sowie die neuen Verkehrslösungen bieten eine abwechslungsreiche Gestaltung die der nationalen und internationalen Bedeutung der Hauptstadt der DDR entspricht.“ Oberingenieur Günther Peters, Bezirksbaudirektor, in „Bauplanung und Bautechnik“ 1968

Aufgrund des enormen Termindrucks und der mangelnden praktischen Erfahrung mit vielen modernen Technologien, die am Alexanderplatz erstmals zur Anwendung kamen, wurde an den Bauten ständig experimentiert und neue Varianten ausprobiert. Manche Fassaden beispielsweise wurden dreimal montiert und wieder ausgewechselt.

Für alle Beteiligten bedeutete das große Projekt Neuland, der Maßstab ebenso wie die Mittel. Die Investitionen betrugen bis zu 3 Millionen DDR-Mark pro Arbeitstag.

Es wurde auch versucht, eine Synthese aus Architektur und Kunst herzustellen. Der farbige Bildfries, der das Büchermagazin des „Haus des Lehrers“ verdeckte, hatte schon früh für Diskussionen gesorgt. Brunnen und Weltzeituhr wurden auch von der Bevölkerung als Identifikationselement des Alexanderplatzes sehr gut angenommen und sind heute von hier nicht mehr wegzudenken.

Das große Ereignis, das erste große Zwischenziel auf dem Weg zu einem neuen Stadtzentrum war der 20. Jahrestag der DDR am 6. Oktober 1969. In einer großen Ausstellung wurden die erreichten „Ergebnisse von Städtebau und Architektur“ präsentiert.

Briefmarke der Deutschen Post der DDR, Motiv: Alexanderplatz in Berlin

Am 1.Mai 1969 wurde der Straßentunnel in der Grunerstraße dem Verkehr übergeben und damit die ansonsten noch riesige Baustelle am Alexanderplatz symbolisch eingeweiht. Mit der Fertigstellung der Hochbauten bis 1973 hatte sich das Politbüro abgefunden. Entscheidend war die Tatsache, dass der Fernsehturm 1969 fertig war und rechtzeitig zu Jubiläum eingeweiht werden konnte.

1970/80

Ende 1970 standen das Warenhaus und das Hotel kurz vor der Fertigstellung. Auch die Arbeiten an den Außenanlagen waren fast abgeschlossen. Zusammen mit der bereits in Betrieb genommenen neuen Markthalle entwickelte der Alexanderplatz nach den Jahren des Baustellen-Chaos sich zu einem starken Anziehungspunkt für die Bevölkerung.

Laut Dorothea Tscheschner, die im Kollektiv Schweizer an Wettbewerb, Planung und Bau des Alexanderplatzes beteiligt war, betrachteten die (Ost-) Berliner den neuen Platz durchaus als den „ihren“:

„Es ist ein weitverbreiteter Irrtum zu glauben, dieser nach der Stalinallee mit dem Bau des Alexanderplatzes erfolgende nächste „Kraftakt“ hätte unter dem DDR-Volk Unmut oder Ablehnung hervorgerufen, eher war das Gegenteil zu beobachten. Nicht nur die in den Semesterferien regelmäßig auf allen Baustellen tätigen bis zu 8000 Studenten trugen „das Erlebnis Alexanderplatz“ in alle Orte der früheren DDR. Es war mit dem Alexanderplatz auch etwas entstanden, worauf die Menschen dieses Landes stolz sein, sich selbst und anderen gegenüber Anerkennung verschaffen wollten. Auch sahen sie in der mittlerweile gewohnten Weiträumigkeit aller Neubaugebiete einen Fortschritt für die Stadtentwicklung, die mit mehr Sonne, Luft und Grün verbunden war, keineswegs einen Rückschritt oder gar Zerstörung der Stadt.“

Mit der Fertigstellung des Reisebüro- und des Verlagshochhauses 1973 war der Alexanderplatz auch im Alltagsleben das von der Bevölkerung anerkannte Zentrum Ostberlins geworden.

Im Bereich Alexanderplatz hatten der von Jahr zu Jahr wachsende Touristenstrom wie auch ein bescheidner Wohlstand der Bevölkerung neue Bedürfnisse geweckt, auf die man Anfang der achtziger Jahre mit „Umgestaltungsaktionen“ zu reagieren begann. Die in Westdeutschland gebauten Fußgängerzonen wurden auch im Osten zum Idealbild der Innenstädte.

Die Schließung der noch fehlenden Nordseite des Alexanderplatzes mit Wohnbauten (1981-84) sah für deren Erdgeschoßzonen (und für die des gesamten Platzes inkl. S-Bahnbögen) kleinteilige Nutzungen in Form von Einzelhandel und Gastronomie vor. Die Dircksenstraße wurde zu dieser Zeit zur Fußgängerzone umgebaut.

1989/93

Mit dem Fall der Mauer fand die politische und wirtschaftliche Ausnahmesituation der geteilten „Frontstadt“ des Kalten Krieges ein überraschendes Ende. Berlin musste sich auf eine neue Rolle als Hauptstadt und als wichtiger Ort in einer neuen gesamteuropäischen Situation einstellen. Von einer „neuen Gründerzeit“ war die Rede, der Anspruch an die Stadt, nun doch endlich zur „Metropole“ zu werden, war immer öfter zu hören.

Während die Verwaltung mit den innenpolitischen, sozialen und technischen Problemen der Zusammenführung zweier bislang autonomer Stadthälften zu kämpfen hatte, drängten zahllose Investoren, angelockt durch die Steuergeschenke der damaligen Bundesregierung und mit immensen Wachstumserwartungen, in die Stadt.

Erste Planungsentscheidungen wurden für die Gebiete getroffen, die unter dem stärksten Investitionsdruck standen – Friedrichstraße, Potsdamer Platz, Leipziger Platz.

Im Sommer 1992 tauchten erstmals Vorschläge zur Neubebauung des Alexanderplatzes auf. Sieben Investoren hatten rings um das „traditionelle Herz der Oststadt“ die entscheidenden Grundstücke erworben und wollten schnell bauen.

Der Senat schrieb einen Ideenwettbewerb aus, der allerdings auffallend stark von den konkreten Wünschen der Investoren geprägt war, vom Nutzungsprogramm bis zur Besetzung der Jury. Es sollten Vorschläge für einen neuen Bürostandort gemacht werden. Das enorme Programm umfasste 800 000m² Büroflächen und 300 000m² Einzelhandelsflächen.

Im April 1993 wählte die Jury unter 14 Arbeiten der ersten Wettbewerbsstufe fünf Büros aus, die mit der Überarbeitung ihrer Entwürfe beauftragt wurden. Für die Behrens-Bauten hatten die Auslober den Erhalt gefordert; von den ausdrücklich zur Disposition gestellten Bauten aus DDR-Zeiten war nur in den wenigsten Entwürfen etwas übriggeblieben.

Statt dessen wetteiferten die Beiträge in einem für Berlin beispiellosen Maß mit Baudichten und Gebäudehöhen.

Der Ausgang der ersten Wettbewerbsphase wurde von der Öffentlichkeit unterschiedlich aufgenommen. Die Fachkritik äußerte sich lobend über die vorgeschlagenen Dichten und die imposanten Silhouetten. Das nichtprofessionelle Publikum, vornehmlich aus dem Ostteil der Stadt, protestierte vehement gegen die „Hochhausorgie“ und gegen den Abriss noch intakter Gebäude. Dies wurde als „Kahlschlagangriff“ auf das DDR-geprägte Zentrum Ostberlins empfunden. Auch die Umwandlung des vertrauten Platzes in einen „hochwertigen Büro- und Geschäftsstandort“ erschien vielen suspekt.

Unbeeindruckt von derartiger Kritik wurden im September 1993 die Preisträger ermittelt. Zwar waren in der Zwischenzeit einige Korrekturen an den Vorgaben erfolgt, doch hatten die fünf im Wettbewerb verbliebenen Büros ihre Entwürfe nur geringfügig modifiziert. Der erste Preis ging an Kollhoff / Timmermann, der zweite an Libeskind / Faskel und der dritte an Kny & Weber.

Nach 1993 wurde es relativ still um die Pläne, der „sofortige Bauwille“ der Investoren war verflogen. Einige begannen mit der Renovierung der bestehenden Bauten, andere zogen sich vom Platz zurück und verkauften. Die wirtschaftliche Lage der Stadt hatte sich seit der Nachwendeeuphorie drastisch geändert, der erhoffte Aufstieg zur „Metropole“ ließ und lässt auf sich warten. Sieht man von den recht konkreten Flächenforderungen der Investoren ab, so beruhte der Wettbewerb von 1993 aus der Sicht der auslobenden Verwaltung auf einer rein ästhetischen Vision: Stadtkrone, renommierfähige „Adressen“, „Urbanität“. Nach diesen Kriterien hat die Jury dann auch entschieden.

Der Siegerentwurf verbindet mit seinen 150-Meter-Hochhäusern die Selbstdarstellungsinteressen der Investoren mit dem volkstümlichen Bild der Metropole – der Skyline von Manhattan. Im Bezug auf die nun tatsächlich räumlich geschlossene „Piazza“ wiederholt der Entwurf das Prinzip der „äußeren Schale“ entlang der rundum geführten Verkehrstrassen, das schon den DDR-Plan kennzeichnete.

Im Unterschied zu letzterem wird mit der massiven Vertikalität der eng aufgereihten Hochhäuser allerdings eine schroffe Barriere rund um den allein nach Westen geöffneten Platz errichtet – eine Geste, die von den „dahinter“ lebenden Stadtbewohnern als neuerliche Abschottung von der „eigentlichen“ Stadt empfunden werden musste.

Heute

Im Zeitraum von nur sechzig Jahren ist der Alexanderplatz dreimal einer Neuplanung unterworfen worden, und das mit einer Radikalität, die den jeweils vorigen Zustand grundsätzlich negierte. Wenn diese zweifelhafte Tabula-rasa-Mentalität zum Maßstab einer „modernen Großstadt“ genommen wird, dann wäre der Alexanderplatz zweifellos der modernste Platz Berlins.

In Wirklichkeit war er jedoch stets einer der neuralgischen Punkte in der von vielerlei Brüchen gekennzeichneten jüngeren Entwicklungsgeschichte Berlins.

Der Platz bildete (und bildet noch) das Gelenk zwischen der historischen Kernstadt und nördlichen und östlichen Stadtteilen. Zugleich sollte er ein ökonomisches Gegengewicht zur Geschäftscity im ehemals „Neuen Westen“ behaupten: Von seiner Prosperität wird ein Zusammenhalt der zum Auseinanderdriftenden neigenden Großstadt erhofft. Zwei Fehlentscheidungen haben das verwirklichte, im Sinne der Städtebaumoderne schlüssige Konzept erheblich beschädigt: Durch den Verzicht auf den ursprünglich von den Preisträgern vorgeschlagenen Pavillonbau gegenüber dem Haus des Lehrers fließen Fußgängerplatz und Verkehrsraum ohne klare Abgrenzung ineinander.

Die nördliche Umleitung der Straßenbahnlinien über die Mollstraße (600m Fußweg zum Platz) schnitt täglich Tausende von Pendlern vom Platz ab. Hier war ganz klar der Autoverkehr vorrangig. Auf eine Beibehaltung des Straßenbahnverkehrs auf dem Alexanderplatz wurde den sechsspurigen Autostrassen zuliebe verzichtet.

Durch die Wiedereinführung der Straßenbahn auf dem Alexanderplatz 1999 trat schnell eine Belebung des öffentlichen Raumes ein, denn der große, freie und weitgehend ungenutzte Platzraum erhielt mit der Trasse und den Haltestellen neue Funktion.

Bis auf die o.g. Mankos hat die Platzfigur von 1964 die an sie gestellten Anforderungen erfüllt: Sie bündelt die auftreffenden Radialen und fädelt sie einigermaßen reibungslos in die westlich der Stadtbahn liegenden Zentrumsbereiche ein. Durch die Trennung von Passanten- und Verkehrsbereich wurden zwei unterschiedliche Wahrnehmungen des Ortes erzeugt: Der Autoverkehr umfährt auf einem separaten Verteilersystem den eigentlichen Platz, während Fußgänger mit dem „Alex“ vor allem die U- und S-Bahnsteige inklusive der Verbindungsgänge, die oberirdische „Piazzetta“ und die anschließenden Ladenstraßen von Rathaus- und Karl-Liebknecht-Straße verbinden.

Hier setzt der vorliegende Entwurf an, der dazu beitragen will, diese starre Verteilung von „hier Fußgänger – dort Straßenverkehr“ und das herrschende Ungleichgewicht der Räume zu verändern.

Morgen

Sieben Jahre nach dem Wettbewerb sind die Planungen wieder aktuell. Diverse Investoren planen nun konkret, in den nächsten Jahren am Alexanderplatz zu bauen. Grundlage ist der Wettbewerbsentwurf von Kollhoff / Timmermann, die Zahl der Hochhäuser wurde allerdings leicht reduziert. In einer ersten Bauphase sollen 4 Hochhäuser gebaut werden. Dafür müssen das Forum-Hotel und das Haus des Reisens abgerissen werden.

Der Bebauungsplan, der das Wettbewerbsgebiet umfasst, wurde er in 3 Teile geteilt, von denen zur Zeit der Bebauungsplan I B4a (Alexanderplatz) den weiteren Genehmigungsprozess durchläuft. Die beiden anderen Teilstücke, die Bereiche nordwestlich der Karl-Liebknecht-Straße sowie der Bereich um den Fernsehturm südlich der S-Bahn, ruhen. Das Ufa-Multiplex-Kino (webcam), das zur Zeit auf dem Grundstück des ehemaligen „Alextreff“ gebaut wird, wurde nicht nach dem Bebauungsplan (denn der ruht ja), sondern nach § 34 BauGB genehmigt. Die anderen Investoren sind verpflichtet, spätestens im Jahr 2004 den Hochbau zu beginnen.

Zur Zeit stehen die Investoren allerdings noch in (Verkaufs-)Verhandlungen mit der Berliner Finanzverwaltung. Gegenstand der Verhandlungen ist das (öffentliche) Straßenland, dass gemäß Bebauungsplan überbaut wird und daher von den Investoren vom Land Berlin erworben werden muss.

Der Baubeginn steht aus o.g. Grund noch nicht genau fest und wird wohl 2001 oder 2002 erfolgen. Zunächst wird die Erschließung und die Tiefgarage in der Strasse „Alexanderplatz“, also zwischen dem „Forum-Hotel“ und dem „Haus der Elektroindustrie“ gebaut.

Die Planungen für den Bereich können mit oder ohne den Tunnel in der Grunerstraße realisiert werden.

Eine Schließung bzw. ein Abbruch des Tunnels wurde von der Senatsverwaltung nicht genauer untersucht, die Kosten werden jedoch auf 15-20 Mio. DM geschätzt. Dies beinhaltet die Arbeiten am Tunnel sowie die erforderlichen Umbaumaßnahmen der oberirdischen Straßen.

Ein im Januar 1997 vorgelegtes Gutachten des Berliner Ingenieurbüros IVU belegt, dass die vorhandenen Straßen den im Falle der Realisierung des Bebauungsplanes zu erwartenden Verkehr auch ohne den Tunnel bewältigen könnten.

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