Die Geschichte der Schwimmbäder in Berlin
Weniger der Sport, vielmehr die noch nicht so sehr selbstverständliche Hygiene bestimmte ursprünglich den Bau von Bädern. Diese Bäder haben eine Tradition, die bis in die Zeit der Römer zurückreicht.
Im mitteleuropäischen Raum war das Baden über Jahrhunderte hinweg kein wichtiges Thema, schon gar nicht architektonisch. Berlin machte hier keinerlei Ausnahme. So hieß es 1877 in einer der frühen Ausgaben von „Berlin und seine Bauten“: „Die öffentlichen Badeanstalten nehmen leider nicht den Rang ein, der ihnen gebührt; sie sind wenig zahlreich und lassen – bis auf wenige neuere Ausnahmen – in ihren Einrichtungen viel zu wünschen übrig. Die Wichtigkeit der Bäder wird von dem Publikum offenbar noch nicht genügend erkannt.“
Eine eher unbeteiligte Rolle spielten in diesem Zusammenhang Stadt und Staat. Wie auch die sozialen Aufgaben in der Gesellschaft mehr bei den Kirchen und den karitaitben Einrichtungen angesiedelt waren, so blieb die Sorge um hygienische Belange der Bürger bis zum Ende des 19. Jahrhunderts fast ausschließlich der privaten Initiative überlassen. Das fehlende Engagement der öffentlichen Hand mußte umso bedenklicher erscheinen, da in der schnell wachsenden Großstadt Berlin gerade für die zahlreiche ärmere Bevölkerung nur unzureichende Wohnverhältnisse bestanden, die eine regelmäßige Körperpflege nahezu unmöglich machten.
1853 wurde eine Aktiengesellschaft gegründet. Ihr Ziel war, “ der nachteiligen Einwirkung ungesunder Wohnungen durch Hebung der Reinlichkeit zu begegnen.“ Löblich war auch der Vorsatz, bei einer gerade noch ausreichenden Rendite durch möglichst niedrige Eintrittspreise die Einrichtung allen Bevölkerungschichten offen zu halten.
In der Regie der AG entstanden 1853 / 55 zwei Bäder, in der August- und in der Schillingstraße, die in ihrer technischen Ausstattung an englischen Vorbildern orientiert waren. Aufgrund der tatsächlich niedrigen Eintrittspreise waren die beiden Bäder sehr beliebt, so dass das Bad in der Schillingstrasse 1874 erweitert wurde.
Weitere (kommerzielle) Bäderbauten folgten in den 1860er Jahren. Unter anderem in der Neuenburger, Zimmer-, Lützow- und Wilsnacker Straße. Als bekannteste Anstalt dieser Art wurde 1889 das Admiralsgartenbad in der Friedrichstraße eröffnet. Neben römisch-irischen und medizinischen Bädern gab es Gastronomie- und Serviceeinrichtungen sowie Ruheräume später auch ein Schwimmbecken. In seinen besten Jahren hatte das Admiralsgartenbad und später seine Nachfolgeeinrichtungen im 1911 erbauten Admiralspalast selbst nachts geöffnet. Man konnte mit baden, schwitzen, Billardspiel, Essen und Trinken die Zeit verbummeln.
Nicht Sozialhygiene war hier der Zweck des Unternehmens – Luxus garantierte den geschäftlichen Erfolg, obwohl die Zeitgenossen beklagten, daß Wien und Petersburg weitaus luxuriösere Bäder zu bieten hätten.
Ende der achtziger Jahre wird der „Berliner Verein für Volksbäder“ gegründet. Er gibt die Badeanstalten in der Garten- und in der Wallstraße in Auftrag, die 1887 / 88 gebaut werden. Hier werden jedoch nur Wannen- und Brausebäder, kein Schwimmbecken angeboten.
Gleich zwei Schwimmbecken (ein großes für Männer und ein kleines für Frauen!) hatte dagegen das Bad in der Kommandantenstraße, erbaut 1894-95 vom „Verein der Wasserfreunde“. Zwar gab es noch eine begrenzte Anzahl von Dusch- und Wannenbädern und sogar eine russisch-römische Abteilung, doch das Schwimmen stand eindeutig im Vordergrund. Gegen Ende des 19. Jahrhundert begreifen auch der Staat und die Kommunen den Bau und Betrieb von Schwimmbädern mehr und mehr als öffentliche Aufgabe. Der Staat oder, stellvertretend hier in Berlin der Magistrat, sehen sich nun als Bauherr, um dem Bürger die Voraussetzuungen für Körperertüchtigung und Hygiene zu schaffen.
1891-92 wird im dichtbesiedelten Moabit eine Volksbadeanstalt gebaut. Mittelpunkt war die große Schwimmhalle mit einem 9 x 18m großen Becken, für damalige Verhältnisse beachtlich. Das einzige Becken mußte von Männern und Frauen im Wechsel benutzt werden. Nachdem die Stadt Berlin sich jahrzehntelang geziert hatte, ihre Verpflichtung im Bäderbau anzunehmen, kehrte sich die Auffassung zu Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts plötzlich vollends um, und der Magistrat entdeckte in den Bädern eine ureigene und vornehme öffentliche Bauaufgabe. Resultate dieser neuen Haltung sind das Stadtbad in der Bärwaldstraße (1900-01) und das Stadtbad in der Oderberger Straße (1901-02) sowie das Volksbad Dennewitzstraße, alle drei von Ludwig Hoffmann, seit 1896 Stadtbaurat von Berlin. 1908 folgte, ebenfalls nach Plänen von Hoffmann, das Stadtbad Wedding.
Ein weiteres Bad in dieser Phase ist das Stadtbad Neukölln (1913-14 von Heinrich Best), das wie das Weddinger Bad je ein Männer- und ein Frauenbecken besitzt. Erst in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts nach der Überwindung einer durch das Kaiserreich verkörperten Gesellschaftsform änderte sich die Grundeinstellung der Menschen in Deutschland zugunsten einer freieren und von Tabus und moralistischen Regeln unbeschwerten Denkweise. Gerade im Badewesen hatte dieser Wandel Konsequenzen. Erstens wurde die Prüderie eines nach Geschlechtern getrennten Badebetriebes überwunden.
Zweitens verlor das Gebot der weitgehenden Verhüllung des Körpers mit einem Badekostüm an Bedeutung. Ihren deutlichen Niederschlag fanden diese Neuerungen im Bau von Frei- und Strandbädern. Männer, Frauen, Kinder konnten sich hier gemeinsam im Wasser, am Strand und auf der Wiese frei bewegen. Eines dieser neuen Frei- bzw. Strandbäder war das am Großen Wannsee.
Zwischen 1929 und 30 wurde es von Martin Wagner und Richard Ermisch erbaut. Realisiert wurde jedoch nur der erste Bauabschnitt (40%), trotzdem ist es bis heute das größte Binnenseebad Europas. Martin Wagner sah darin „…eine Art Sanatorium…für die körperliche und geistige Regeneration der Kräfte.“
Der erste Berliner Hallenbad-Neubau nach dem ersten Weltkrieg wurde von den oben beschriebenen Liberalisierungen mitgeprägt. Im Rahmen des Vorhabens des Magistrats, alle Berliner Bezirke mit Volksbädern zu versorgen, war für den Bezirk Mitte ein besonderer Bau vorgesehen.
Es sollte „das“ Berliner Stadtbad werden. Entwurf und äußere Hülle lieferte Magistrats-Oberbaurat Carlo Jelkmann, die Gestaltung des Inneren kam von Heinrich Tessenow.
Der von 1927-30 in der Gartenstraße fertiggestellte Bau besaß ein einziges Becken von 50m Länge, womit es damals das größte Hallenbad Europas wurde. Allein die Größe von Bauwerk und Becken kann als Bekenntnis zum „gesunden Leben“ und zum sozialen Engagement von Staat und Kommunen gewertet werden. Männer und Frauen hier erstmals in einem Hallenbad nicht getrennt, weder räumlich noch zeitlich. Und auch architektonisch sind hier die Einflüsse des „Neuen Bauens“ zu spüren. Jelkmann schreibt 1930 in der Deutschen Bauzeitung: „Es wurde besonders bedacht, allen Räumen ein hohes Maß an Licht, Luft und Sonne zuzuführen“.
Auch in den einstigen Vororten Berlins, seit 1920 zu Groß-Berlin gehörig, wurden zu dieser Zeit Hallenbäder gebaut, so 1927 in Lichtenberg und Schöneberg.
Die zwei in den 30er Jahren entstandenen Hallenbäder, die Schwimmhalle des „Deutschen Sportforums“ (1935/36) und die der Luftwaffe in Gatow (1938) spiegeln die zwar die vorgegebene Architekturhaltung des dritten Reichs, können jedoch ihre Anleihen am großen Vorbild in der Gartenstraße nicht leugnen.
Nach 1945 konzentrierte sich der Hallenbadbau zunächst auf den Ersatz kriegszerstörter Bäder.
Die Neubauten der sechziger Jahre (Wilmersdorf, Reinickendorf, Schöneberg etc.) huldigen den damaligen Idealen. Es entstehen freistehende, auf sich selbst bezogene Buten, großflächig verglast, losgelöst vom traditionellen Stadtgrundriss.
Im Ostteil Berlins fällt die Typisierung der Hallen auf, von der die Neubauten im Westen zunächst verschont werden. 1977 steht in der „Deutsche Architektur“, der einzigen DDR-Architektur-Zeitschrift: „Zur weiteren Verbesserung der Bedingungen für die sportliche Betätigung der Berliner Bürger beschloß der IX. Parteitag der SED die Errichtung von zehn Volksschwimmhallen bis 1980“. Seit 1972 waren schon einige Hallen in Typenbauweise entstanden. Nach mehrfachen Überarbeitung kam der Typ „Schwimmhalle ’83 Berlin“ in allen Ostberliner Bezirken zum Einsatz.
Eine verkappte Typisierung gab es auch in Westberlin.
Ab 1970 baute die Firma Ibaco Schwimmhallen in öffentlichem Auftrag. Spandau, Charlottenburg und Gropiusstadt erhielten solche Hallen aus typisierten Bauelementen. Gefördert wurde diese Bauweise durch die starke Fixierung der Bauherren auf die Bäderbaurichtlinien des Deutschen Schwimmverbandes und des Deutschen Sportbundes. Die starren Vorgaben erschwerten (und verteuerten) die Tätigkeit freier, kreativer Architekten und verstärkten den Trend zum „Fertig-Schwimmbad“ aus einer Hand.
Eine architektonisch ergiebigere Bauaufgabe boten seit den späten 70er Jahren die sogenannten „Erlebnisbäder“. Baden und Schwimmen aus hygienischen, gesundheitlichen oder sportlichen Gründen war lange Zeit Grundgedanke des Bäderbaus. Der Anteil von Spass und Freude, oder neudeutsch „fun“, fand in Planung und Bau von Bädern, zumal öffentlichen, kaum Niederschlag. Dies änderte sich erst in den 70er Jahren. Einen frühen Vorreiter hatte diese Bäderart allerdings: das Hallenschwimmbad, Berlin-Halensee, von 1927. Es hatte ein für damalige Verhältnisse hochmodernes Wellenbad und war Teil des Vergnügunsparks „Lunapark“.
Merkwürdigerweise wurde das erste „Spassbad“ der siebziger Jahre (1978-81) in Berlin nicht im Westen, sondern an der Landsberger Allee gebaut, wenn auch von West-Firmen.
Es gehörte zum „Sport- und Erholungszentrum“ (SEZ) mit Eisbahn, Sauna, Fitness, Gastronomie und verfügte über ein Wellenbad und weitere Arten von Becken, die in der DDR bis dahin schlicht unbekannt waren. Das Pendant auf der Westseite kam erst 1984-85 und hieß „blub“, ein von privaten Investoren erbautes Konglomerat aus allen nur denkbaren Becken, Grotten, Rutschen und Saunen.
Architektonisch ernst zu nehmend dagegen ist das 1984-87 von Christoph Langhof, Thomas M. Hänni und Herbert Meerstein gebaute Spreewaldbad in Kreuzberg.
Unter dem Eindruck der erfolgreichen „Erlebnisbäder“ setzte in den 80er Jahren auch bei den kommunalen Bauherren ein Umdenken ein. Der individuelle Entwurf war wieder gefragt und auch die strengen, rein sportlich orientierten Becken wurden nun um eher spielerische Bereiche ergänzt.
Einen Sonderfall stellt die erst 1999 fertiggestellte Schwimmsporthalle an der Landsberger Allee dar. Dominique Perrault realisierte hier seinen Wettbewerbsentwurf von 1992. Beide Baukörper, die Schwimmhalle wie die benachbarte Radsporthalle, sind in das (künstlich aufgeschüttete) Erdreich versenkt, und präsentieren dem Betrachter nur ihre Dächer, die in mitten einer Obstbaumwiese liegen. Ursprünglich für die Olympischen Spiele 2000 geplant, steht sie nach der geplatzten Olympiabewerbung Berlins nun hauptsächlich den Vereinen und Verbänden sowie für große Sportereignisse zur Verfügung. Die „normalen“ Nutzer haben sich mit einer Nebenschwimmhalle abseits der großen, repräsentativen Halle mit den Tribünen und dem Sprungbecken, zu begnügen.